Postkolonialismus und prekäre Arbeit

In Gedenken an Josef Czoska …
Der Bau des Nord-Ostsee-Kanals (ehemals Kaiser-Wilhelm-Kanal) zu Beginn des 20. Jahrhunderts war militärisch motiviert (1). Ein zentrales Motiv war der koloniale Ausbau des Deutschen Reiches.
Der Bau des Kanals war eine körperlich belastende und niedrig entlohnte Arbeit. Dass solche Arbeiten in Deutschland zu einem beträchtlichen Teil von Menschen erledigt werden, die aus anderen Ländern kommen, ist eine historische Kontinuität. Ungleiche Verteilung von ökonomischer und wirtschaftlicher Macht führten und führen dazu, dass Menschen sich gezwungen sehen, ihre Herkunftsländer zu verlassen, um in Deutschland in prekären, ausbeuterischen Verhältnissen zu arbeiten. Das ist saisonal und tagesaktuell in der Spargel- und Hopfenernte der Fall und gilt in Schleswig-Holstein für die Fleischproduktion konstant das ganze Jahr über. Die nationale deutsche Wirtschaft wird den Lebens- und Arbeitsverhältnissen insbesondere nicht-deutscher Arbeiter:innen übergeordnet.
Um auf die systematische Ausbeutung eines ethnisierten Arbeitsmarktes und deren historischer Kontinuität aufmerksam zu machen, erinnern wir heute an den Tod des polnischen Arbeiters Josef Czoska. Dieser wurde beim Bau der Wiker Auffahrt zur Brücke über den Kanal am 25.04.1911 verschüttet und nicht wiedergefunden (2).
(1) „1886 erklärte der deutsche Kaiser, noch Wilhelm I.: ‚Wir Wilhelm von Gottes Gnaden deutscher Kaiser, König von Preußen, verordnen im Namen des deutschen Reiches: Es wird ein für die Benutzung durch die deutsche Kriegsflotte geeigneter Seeschiffskanal von der Elbmündung über Rendsburg nach der Kieler Bucht … hergestellt.“ (Danker, Uwe; Schliesy, Utz, 2014: Schleswig-Holstein 1800 bis heute. Eine historische Landeskunde. Husum: Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, S. 131.).