Wir alle kennen das: Schnell kommt die Diskussion auf das alles beherrschende Thema: Migration. Manchmal verschlägt es einer einfach die Sprache. Und da kann es ganz hilfreich sein, ein paar Daten und Fakten und vernünftige Gegenargumente zur Hand zu haben. Unsere AG Migration hat ein paar gesammelt:
Das Boot ist voll – Im Gegenteil! Um den jetzigen Lebensstandard halten zu können, braucht Deutschland eine jährliche Zuwanderung von ungefähr 400 000 Arbeitskräften. .Schon jetzt fehlt es in fast allen Bereichen an Arbeitskräften. „In 10 Jahren haben wir 5 Millionen Rentner mehr als junge Leute, die gleichzeitig in den Arbeitsmarkt eintreten“. (B. Scheil, UVM, KN 14.11.24)
Wir können nicht die ganze Welt aufnehmen – das tun wir auch gar nicht. Nach Schätzungen der UN-Flüchtlingshilfe sind Mitte 2024 weltweit ca. 122,6 Mio. Menschen auf der Flucht oder vertrieben. Die meisten Menschen landen in Flüchtlingslagern des eigenen Landes oder ihren Nachbarländern – durchweg Länder, die selbst bettelarm sind.
Auch Deutschland, als drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, ist in der Lage Menschen in Not aufzunehmen. Wir sollten uns daran erinnern, dass sich am Ende des 2. Weltkriegs durch Flucht und Vertreibung die Bevölkerung Schleswig-Holstein in kurzer Zeit fast verdoppelte – um nur ein Beispiel zu nennen. Und dass damals die Bedingungen, unter denen diee Menschen lebten, erheblich schlechter waren.
Es muss eine Obergrenze für die Aufnahme Geflüchteter geben – Krieg und Elend halten sich leider nicht an Obergrenzen. Das Asylrecht steht in unserem Grundgesetz und ist, zum Beispiel durch das Refoulement-Verbot oder die Anti-Folter-Konvention völkerrechtlich geschützt. Nach den Erfahrungen von Krieg und Faschismus ollte sich nie wieder die Situation wiederholen , dass Schutzsuchende an Grenzen abgewiesen werden. Insofern verbieten sich Zahlenspiele; die Aufnahme von Schutzsuchenden lässt sich nicht auf willkürlich definierte Kontingente begrenzen.
Die Flüchtlinge wollen doch alle nach Deutschland – aber stimmt das auch? Hierzulande glauben viele, alle Flüchtenden wollten unbedingt nach Deutschland und Deutschland hätte besonders viele Geflüchtete aufgenommen. Tatsächlich aber heißen die Länder, in denen sich weltweit die meisten Geflüchteten aufhalten, Iran, Türkei, Kolumbien und Uganda. Ein Beispiel: Im Libanon leben ca. 1,5Mio syrische Geflüchtete, bei einer Einwohnerzahl von 5,49 Mio. Menschen. Wir sollten glücklich sein, in einem Land zu leben, das in der Lage ist, Menschen Zuflucht zu bieten; umso mehr, wenn wir auf unsere Geschichte zurückblicken.
Unsere Infrastruktur ist überfordert! – Diese Behauptung macht Schutzsuchende zu Sündenböcken und lenkt von den wirklichen Ursachen ab.
Für die langfristigen Versäumnisse, z.B. im Bildungswesen, sozialen Wohnungsbau, öffentlichen Nahverkehr und den immer weiteren Abbau sozialer Infrastruktur, sind Asylsuchende und Geflüchtete nicht verantwortlich. Diese Versäumnisse sind das Ergebnis neoliberaler Politik, die wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge den Regeln des Marktes überlassen hat. Und übrigens: Wenn wir all das Geld, das der Abwehr und Abschreckung von Flüchtenden dienen soll, (Grenzüberwachungen und -befestigungen, Lager an den Grenzen, teure Abkommen mit Drittstaaten…) für die Integration der Menschen und für die soziale Infrastruktur ausgeben würden, hätten wir schon manche Probleme gelöst.
Flüchtlinge liegen uns auf der Tasche – tatsächlich sind Migrant:innen eine wesentliche Stütze unserer Gesellschaft. In der Pflege, in der Gastronomie, am Bau … überall sind sie unverzichtbar. Deutschland profitiert seit jeher von Einwanderung und ist auch in Zukunft darauf angewiesen.
Damit Flüchtende uns nicht „auf der Tasche liegen“, müssen zahlreiche bürokratische Hürden beseitigt werden: So muss es möglich sein, schnell eine Arbeit anzunehmen oder eine Ausbildung zu beginnen Und wie sonst könnte Integration glücken?
Um ausländische Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten, bedarf es einer Haltung aller, die Einwanderung und Vielfalt als einen Gewinn für unsere Gesellschaft.betrachtet. Das kann gelingen: Von den 2015 nach Deutschland gekommenen Geflüchteten hatten knapp zwei Drittel 7 Jahre später eine Arbeit.
Übrigens, Asylbewerber:innen bekommen maximal 460 Euro, was dem sogenannten Existenzminimum entspricht, aber weniger ist als das Bürgergeld (563 Euro). Es bedeutet auch nicht, dass alle diesen Betrag erhalten. Menschen, die in Zentren wohnen, bekommen in der Regel einen Teil des Betrags als Sachleistung.
Wir müssen Flüchtlinge schon an der Grenze abwehren – das wäre ein Verstoß gegegn das Völkerrecht. Selbst wenn das Grundrecht auf Asyl (GG § 16a) abgeschafft würde (wie manche Politiker*innen auch der etablierten Parteien fordern), gilt das Zurückweisungsverbot der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das heißt, ein Abweisen von Menschen ohne Verfahren, wie es an den Grenzen schon gängige Praxis geworden ist, ist illegal.
Außerdem: Wie soll es funktionieren, Schutzsuchende unter Beschwörung eines „Nationalen Notstands“ an den Grenzen abzuweisen und gleichzeitig ausländischen Fachkräften eine „Willkommenskultur“ vorzugaukeln?
Die Flüchtlinge kommen nur aus wirtschaftlichen Gründen zu uns – Was ist daran verwerflich, sich auf die Suche nach einem besseren Leben zu machen?
In der Geschichte hat es schon immer Migration aus wirtschaftlichen Gründen gegeben. Massenhafte deutsche Auswanderung in die USA, Flucht aus der DDR. War das auch problematisch? Problematisch wird es erst, wenn die Menschen durch bürokratische Hürden nicht nicht in den Arbeitsmarkt gelassen werden.
Wir sollten auch nicht vergessen, dass die vom Klimawandel verursachten katastrophalen Lebensumstände durch uns, die Industrienationen, zu verantworten sind. Auch haben wir unseren Wohlstand zum Teil auch der Ausbeutung armer Länder zu verdanken. Daraus ergibt sich für uns eine besondere Verantwortung.
Wer sein Leben riskiert, um in ein anderes Land zu kommen, hat unseren Schutz und Solidarität verdient. Wir müssen aber natürlich auch daran arbeiten, dass niemand mehr fliehen muss – dabei können faire Handelsbeziehungen helfen, oder auch das konsequente Verbot von Waffenlieferungen in Krisengebiete.
Irreguläre Migration überfordert und verunsichert Deutschland – hier ist schon der Begriff falsch. . Verbale Ausgrenzung und Kriminalisierung beginnen schon mit der Begrifflichkeit, mit der wir über Geflüchtete sprechen: Asylsuchende sind keine „irregulären Migrant*innen“, sondern Menschen in Not, die ein verbrieftes Grundrecht in Anspruch nehmen, für das es ein geordnetes, also reguläres Verfahren gibt. Die Verunsicherung dürfte ein Ergebnis solcher irreführenden Begrifflichkeiten sein.
Es gibt für Schutzsuchende kaum legale, sichere Möglichkeiten nach Europa zu fliehen – das gilt ganz besonders für Deutschland, das in der Mitte Europas liegt, und somit keine EU-Außengrenze hat.
Solingen, Mannheim etc. machen deutlich, dass etwas unternommen werden muss – schreckliche Attentate wie in Solingen oder Mannheim werden häufig als Rechtfertigung genutzt, Grenzkontrollen auszubauen und Flüchtlingsrechte abzubauen. Doch was haben Sozialleistungskürzungen im „Sicherheitspaket“ mit „Sicherheit“ zu tun? In Deutschland lebende Muslim*innen, oder solche, die dafür gehalten werden, geraten unter Generalverdacht, obgleich viele von ihnen gerade vor islamistischen Diktaturen geflüchtet sind.
An dieser Stelle ist ein Blick auf die Statistik hilfreich:
- im 1. Halbjahr 2024 wurden 10.000 Straftaten mit rechtsextremen Hintergrund registriert.
- 1.464 Straftaten hatten im Jahr 2023 antimuslimischen Hintergründe (ein Anstieg von 140% zum Vorjahr
- Im 2. Quartal gab es 715 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund
- Zwischen 2016 und 2024 gab es 12 Attentate islamistischer Gewalttäter.
Die Gefahr eines Terroranschlags durch Islamisten soll nicht klein geredet werden – aber sie besteht unabhängig von der Asylthematik: In Großbritannien, Frankreich oder Belgien ist es trotz geringerer Asylzahlen zu mehr Anschlägen gekommen als in Deutschland.
Die Kriminalität steigt, die Menschen fühlen sich nicht mehr sicher – Geflüchtete und Ausländer:innen sind nicht krimineller als die allgemeine Bevölkerung. Das wurde durch das Bundeskriminalamt eindeutig belegt. Ein Grund für die Wahrnehmung höherer Kriminalität wird sein, dass die Straftaten ausländischer Täter stärker in den Medien thematisiert werden und dass Ausländer:innen eher verdächtigt und angezeigt werden.
Reißerische Berichte in der Presse verstärken das Gefühl, Frauen müssten vor allem vor ausländischen Männern Angst haben. Die meisten Sexualdelikte werden aber in unserem Land von Deutschen oder Europäern begangen. Und zu 75% kommen die Täter aus dem sozialen Umfeld der Opfer: Familie, Nachbarn, Kollegen… Es handelt sich also um ein gesamtgesellschaftliches Problem, das sich folglich auch nicht durch vermehrte Abschiebungen lösen lässt.
Die Menschen aus dem afrikanischen/arabischen Raumpassen kulturell nicht zu uns – halten wir fest: Zuallererst ist jeder Mensch ein Individuum. Und was ist die „deutsche Kultur“? Das bayrische Bierzelt? „Schaffe, spare, Häusle baue?“ Der rheinische Karneval? Das macht deutlich, dass es die deutsche Kultur nicht gibt. Spätestens seit der Jahrtausendwende musste auch konservative Politik anerkennen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und damit längst „multikulti“. Wie könnte es anders sein, wenn 30% der Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben.
Und dennoch ist es notwendig, neu Zugewanderte bei der Integration zu unterstützen. Integrationskurse sind deshalb wichtig. Sie helfen nicht nur bei der Verständigung, sondern auch beim Verständnis einer anderen Lebensweise. Dennoch wurden die Ausgaben für die Kurse weiter gekürzt. Und dies, obwohl der Finanzbedarf weiter steigt und die 1,07 Milliarden € des letzten Jahres schon nicht ausreichten.
Wir müssen konsequent abschieben, dann hätten wir auch kein Antisemitismus-Problem mehr!“ Diese Aussage unterstellt, dass nur Menschen mit Migrationshintergrund – gemeint sind oft Muslime – antisemitisch seien. Doch Antisemitismus betrifft die gesamte Gesellschaft. Weiße Deutsche lenken so von ihrem eigenen Antisemitismus ab und entziehen sich der Verantwortung, sich damit auseinanderzusetzen. Dabei hat Antisemitismus eine jahrhundertelange Geschichte in Deutschland und ist auch heute noch weit verbreitet. Die Leipziger Autoritarismus-Studie von 2022 versuchte dem auf die Spur zu kommen. Mehr als 23% der Befragten erklärten, dass Juden zu großen Einfluss hätten, 16,4 % stimmten der Aussage zu, dass Juden mehr mit üblen Tricks arbeiteten – nur zwei von vielen Beispielen, für die latente Judenfeindlichkeit, die in der deutschen Bevölkerung noch immer herrscht.
Die Bezahlkarte verhindert, dass Schleuser bezahlt werden – ist das wahr? Im Frühjahr 24 einigte sich die Ampelregierung auf ein Gesetz zur bundeseinheitlichen Einführung der Bezahlkarte. Sie solle verhindern, dass Geflüchtete Geld in ihre Herkunftsländer oder an Schleuser überwiesen. Allerdings lagen der Bundesregierung keinerlei Daten zum Umfang von Überweisungen in Herkunftsländer vor. Inzwischen liegt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)vor: 7% (!) der Geflüchteten in Deutschland haben im Jahr 2021 Geld ins Ausland geschickt. Dafür einen wahnsinnigen Verwaltungsaufwand und Millionenbeträge investieren?
Mit Bezahlkarte stehen Geflüchteten nur 50€ Bargeld zu. Ohne ausreichenden Zugang zu Bargeld wird vieles schwer bis unmöglich: Von der Einzahlung in die Klassenkasse, andere schulische oder KiTa- Umlagen, der Einkauf auf dem Flohmarkt, im Sozialkaufhaus, bei der Tafel, im Kiosk, bis zum Bezahlen für öffentliche Toiletten, Fahrkarten – alles nicht mehr drin. . Besonders bei kleinen Läden ist die Infrastruktur zum bargeldlosen Zahlen wenig ausgebaut oder erst ab einem Mindestbetrag möglich.
Ein Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum umfasst aber auch die Teilnahme am sozialen Leben. Die Bezahlkarte ist eine Diskriminierung der Geflüchteten, auch gegenüber anderen Sozialleistungsbezieher*innen.