Stimmen für den Frieden

 

Women Wage peace – Frauen wagen Frieden – ist eine autonome Friedensbewegung, die sich 2014 nach dem Gazakrieg gegründet hat. Gegründet wurde sie ursprünglich von israelischen Frauen, bald aber kamen auch palästinensische Frauen hinzu.

Diesen Text hat Women Wage Peace aktuell herausgegeben:

נשים עושות שלום نساء يعملن السلام Women Wage Peace

 

Wir haben eine Woche gebraucht, um dieses Statement zu formulieren. Wir sind eine Bewegung von jüdischen und arabischen Frauen mit verschiedenen Einstellungen und Meinungen, und wir fanden uns in diesem wahnsinnigen, bedrohlichen und beängstigendem Film wieder. In keiner Sprache gibt es Worte, um zu beschreiben, was wir in dieser Woche durchgemacht haben. Immer noch suchen wir nach den richtigen Worten, die wir in diesen Momenten teilen können.

Zuerst betrauern wir die brutalen Morde, welche die Hamas in einem unbeschreiblichen und unverzeihlichen Massaker an mehr als 1.300 Menschen, Zivilisten, Babys, Kinder, Frauen, Männer, ältere Menschen, Soldatinnen und Soldaten, an Sicherheitskräften, Rettungskräften, darunter auch arabische Zivilisten und Soldaten, begangen hat. Wir wünschen allen, die verwundet wurden, dass ihre Körper und ihre Seelen wieder vollständig genesen. Wir teilen die tiefe Trauer unserer Mitfrauen von „Women Wage Peace“, die Familienangehörige verloren haben. Wir bieten unseren Mitfrauen aus dem Gazastreifen, die das furchtbare Inferno am vergangenen Samstag überlebt haben, Hilfe an. Und wir sind zutiefst um die Sicherheit und das Schicksal derer besorgt, die vermisst werden, entführt, verschleppt – unter ihnen ist die Friedensaktivistin Vivian Silver aus dem Kibbuz Beeri, eine von uns, sowie Ditza Heyman aus dem Kibbuz Nir Oz, die Mutter unserer Mitstreiterin Neta Heian.

Wir fordern, dass die israelische Regierung unverzüglich Verhandlungen über die Freilassung aller, die verschleppt wurden, beginnt. Wir rufen das Rote Kreuz und die internationale Gemeinschaft auf, für die Sicherheit der Verschleppten zu sorgen und für ihre unverzügliche Freilassung tätig zu werden.

Trotz des Zorns und des Schmerzes angesichts der kriminellen und unverzeihlichen Handlungen der Hamas, wozu auch das ununterbrochene Bombardement von Städten überall in Israel gehört, dürfen wir unsere menschliche Würde nicht verlieren. Selbst in dieser äußerst schwierigen Situation ist es unsere Pflicht als Mütter, als Frauen, als Menschen und als ganze Nation, nicht unsere menschlichen Grundwerte zu verraten.

Wir hören nur noch Worte der Rache „alle Zurückhaltung wird aufgegeben..“ „.. wir werden Gaza vernichten..“ „..wir werden brutal sein…“ Aber man kann ein Unrecht nicht durch ein anderes Unrecht beseitigen. Wir betrauern den Tod unschuldiger Palästinenser, darunter hunderte von Kindern, die in diesem verfluchten Krieg getötet wurden Die Situation in Gaza verschlimmert sich stetig. Dieser Krieg beweist – mehr als je zuvor – dass die Idee „den Konflikt unter Kontrolle“ zu halten gescheitert ist. Der Gedanke, die Lösung des Konflikts könnte unendlich aufgeschoben werden, hat sich als fundamental falsch erwiesen.

Seit 9 Jahren, seit dem Ende der Operation „Protective Edge“, sagen wir der israelischen Regierung – es ist genug! Wir müssen jeden Stein umdrehen, um eine politische Lösung zu erreichen. Das ist unsere Pflicht für die Zukunft unserer Kinder. Das ist unsere Pflicht für die Kinder in Israel und in Palästina. Sie verdienen eine Zukunft in Sicherheit und Freiheit, keine Zukunft in Tod, Krieg und Zerstörung.

Trotz der Komplexität der Situation haben wir und die Palästinenser keine Wahl als nach einer Lösung des Konflikts zu suchen. Das palästinensische Volk wird nicht verschwinden, und auch wir werden es nicht. Mehr Krieg, Bomben, Attentate, Verhaftungen und ein ewiger Kreislauf des Blutvergießens werden uns und unseren Kindern niemals die Möglichkeit geben, hier wie normale Menschen zu leben. Alle Konflikte auf dieser Welt wurden durch Friedensverträge beendet. Hamas handelt, um die Chance auf Frieden zu zerstören. Hamas hat es bereits geschafft, die Verhandlungen mit Saudi-Arabien zu stoppen. Wir wissen, dass diese Worte naiv und unrealistisch klingen, aber das ist die Wahrheit; und wir müssen sie erkennen. Jede Mutter, ob Jüdin oder Araberin bringt ihre Kinder zur Welt, um sie aufwachsen und gedeihen zu sehen – nicht um sie zu beerdigen.

Deshalb strecken wir, auch heute, mitten in dem Schmerz und dem verlorenen Frieden unsere Hände in Frieden zu den Müttern in Gaza und auf der West Bank aus.

Wir Mütter, zusammen mit Frauen aus der ganzen Welt, müssen uns vereinen, um diesen Wahnsinn zu beenden. Es ist unsere Pflicht, es zu sagen – auch wenn es jetzt schwierig ist: Israel muss seine Schritte und Handlungen verantwortungsvoll und moralisch betrachten und muss sinnlose Tode von Zivilisten und Militärangehörigen vermeiden, und gleichzeitig, wo immer es möglich ist, Leid der unschuldigen Menschen in Palästina vermeiden.

Wir werfen schwierige Fragen auf und erwarten Antworten – Bodenoffensive, Vernichtung Gazas, Millionen von Menschen aus Palästina vertreiben – wird das zu Sicherheit in der Zukunft führen? Und was wird danach geschehen? Ist es nicht wichtiger, sich zunächst um die Verschleppten zu kümmern? Haben unsere Regierungen Antworten?

Wir müssen den Zusammenhalt und die Solidarität zwischen Juden und Arabern stärken und gegen Rassismus und Hass aufstehen. Die arabische Bevölkerung, die seit vielen Jahren mit dem inneren Konflikt gelebt haben, sowohl israelische Bürger als auch Palästinenser zu sein hat in diesen schwierigen Krisenzeiten eine Verantwortung für die ganze israelische Gesellschaft.

Wir fordern von Israel, dass es weiteres Aufflackern von Kämpfen auf der West Bank vermeidet, und dass es extremistischen Kräften von beiden Seiten nicht ermöglicht, die Region weiter aufzuhetzen, wie es bereits in der letzten Woche geschehen ist.

Zuletzt müssen wir sagen, dass, obwohl wir uns im Jahr 2023 befinden, es so gut wie keine Frauen an entscheidenden Positionen in Israel gibt. Das ist eine unerträgliche Situation, und es muss sich ändern. Wir fordern, dass Frauen an den Verhandlungen über die Freilassung der Verschleppten teilnehmen. Es darf nicht sein, dass nur Männer das Land durch diese Krise führen.

Mag das Gedächtnis aller Opfer gesegnet sein.

 

Dieses Bild wurde in der vergangenen Woche von Banksy veröffentlicht.  Es sagt mehr als viele Worte es könnten: