Die Union gehört in die Opposition!

Eine Freundin rief heute morgen an: „Ist es nicht toll, dass die AfD bei der Wahl so verloren hat?“ Ganz ehrlich, mir bleibt die Freude im Halse stecken. Na schön, aus den 12,6% in 2017 sind 10,3% geworden. Ein Grund zum Frohlocken ist das für mich trotzdem nicht. Wahrscheinlich hat die AfD ein paar Stimmen an die Spinner der sogenannten „BASIS“ verloren, und in der Rubrik „Sonstige“, die immerhin 8,6% der Stimmen auf sich vereint, sind ja auch noch Faschisten ohne blaue Tarnlackierung, und den Anhängern von NPD und III. Weg ist selbst die AfD zu bürgerlich.
Die CDU, die 2017 noch 26,8% Stimmen bekam, landet heute – wenn man die 5,2% der Splitterpartei aus Bayern nicht mitrechnet – bei 18,9%. Wie Laschet auf den Gedanken kommen kann, diese Klatsche könnte ein Auftrag zur Regierungsbildung sein, bleibt unerklärlich. Aber, allein die Tatsache, dass wir den Gedanken absurd finden, kann Armin Laschet im Kanzleramt nicht verhindern. Inden unsozialen Aspekten ihrer Parteiprogramme sind Union und FDP sich durchaus sehr nah. Und wer gestern angehört hat, wie positiv Robert Habeck eine Jamaika Koalition beurteilt, der oder dem muss schon recht mulmig werden.
Aber auch bei einer sogenannten „Ampel“ sieht es für soziale Politik düster aus. Eine Koalition mit der FDP, die in ihrem ökonomischen Darwinismus an vielen Stellen eine fatale Ähnlichkeit mit der AfD aufweist, scheint unausweichlich, für die Grünen ist Sozialpolitik eher ein „Nebenwiderspruch“, und die Linke ist leider als Korrektiv aus dem Rennen.Was linke Sozialdemokratinnen und -demokraten da noch an Politik durchsetzen können. Wir dürfen gespannt sein. Und wir alle, die uns außerhalb der Parteien engagieren, gegen Rassismus und Faschismus arbeiten, für eine entschlossene Klimapolitik und für eine gerechte Gesellschaft eintreten – wir alle dürfen gewiss sein: Wir werden nicht beschäftigungslos!. Die Aufgabe, gegen soziale Ungerechtigkeit, gegen Rassismus und Ausgrenzung, gegen Kriegstreiberei aufzustehen, bleibt. Auch in den nächsten 4 Jahren werden Gruppierungen wie Fridays for Future und ganz besonders auch wir OMAS GEGEN RECHTS gefragt sein, unsere Stimmen zu erheben.
Jetzt aber heißt es zunächst einmal den politischen Super GAU zu verhindern. Armin Laschet darf nicht Kanzler werden! Die FDP – und ganz besonders die Grünen – dürfen sich nicht dafür hergeben, dem Wahlverlierer ins Kanzleramt zu verhelfen. Unterschreibt bitte alle diese Petition:

Normal ? Keine Stimme für Nazis!

Am Sonntag gibt es die Gelegenheit, die Faschisten endlich aus dem Parlament zu vertreiben. Falls Ihr noch Entscheidungshilfen braucht:

Deutschland – für uns normal: Vielfältige Lebenskonzepte

  • Wir leben als traditionelle Familie aus Mutter, Vater und Kind, als Alleinerziehende, Patchwork-Familien, gleichgeschlechtliche Ehen, unverheiratete Paare mit und ohne Kinder, Single,…
  • Die Entscheidung für ein Leben mit einem Kind oder ohne ein Kind ist eine persönliche Entscheidung. Sie ist keine Frage des Fortbestandes unseres „Volkes“ und keine gesellschaftliche Aufgabe.
  • Jede Frau hat das Recht auf Abtreibung. Abtreibung darf nicht strafbar sein.
  • Kinderlose dürfen nicht benachteiligt werden.
  • Die Betreuung der Kinder muss vom Staat gewährleistet werden, damit Eltern entsprechend ihren persönlichen Vorstellungen ihren Beruf ausüben können und die Chancengleichheit der Kinder verbessert wird.

Und was ist für die AfD normal? – ein paar Zitate aus dem Programm:

  • Die AfD bekennt sich zur traditionellen Familie als Leitbild.“

(Grundsatzprogramm Kurz ) „Sie besteht aus Vater, Mutter und Kindern.“

Diese Familie ist für die AfD „die Keimzelle unserer Gesellschaft“. (Programm für die Wahl zum 20. Bundestag,S. 102)

  • Unter dem Slogan „Mehr Kinder statt Masseneinwanderung“ wird eine „aktivierende Familienpolitik“ gefordert. Das Ziel ist eine „höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung“. (Grundsatzprogramm Kurz)
  • Eine Steigerung der Geburtenrate auf ein bestandserhaltenes Niveau von 2,1 Kindern pro Frau ist die einzige Möglichkeit zur Stabilisierung und zum Erhalt unserer Sozialsysteme,… “ (Konzept zur Sozialpolitik, S. 15)
  • Diese Familien- und Sozialpolitik soll vor allem zur „Bewahrung unserer Kultur und zum Fortbestand unseres Volkes“ beitragen. (Konzept zur Sozialpolitik, S. 15)
  • Abtreibungen werden als „Vergehen“ (Konzept zur Sozialpolitik, S. 13) bezeichnet. Sie sollen vermieden werden und sie werden nicht als „Menschenrecht“ der Frau betrachtet. (Grundsatzprogramm Kurz)
  • Die Rolle der Frau ist definiert: Das Kind gehört – zumindest in den ersten 3 Jahren – zur Mutter. (vgl. Grundsatzprogramm Kurz)
  • Wer Kinder großgezogen hat, soll früher in Rente gehen als kinderlose Erwerbstätige, da sie „sich dieser gesellschaftlichen Aufgabe nicht stellen konnten oder wollten.“

Mit der AfD zurück in die 50er Jahre !

Deutschland – für uns normal: Gesundheit und lebenswerte Umwelt

  • gute gesundheitliche Versorgung für alle in Deutschland lebenden Menschen
  • gute Arbeitsbedingungen und Gehälter für Menschen, die im Gesundheitsbereich arbeiten wollen, unabhängig von ihrer Herkunft
  • eine menschenwürdige Pflege
  • Erhalt einer lebenswerten Umwelt auch für unsere Enkel*innen
  • Sofortige wirksame Maßnahmen zum Stopp des Klimawandels

Und was ist für die AfD normal?

  • Besonders wichtig ist auch hier, dass das Personal aus Deutschland kommt, denn Vertrauen der Patient*innen kann es nach ihrer Ansicht nur geben, wenn die Ärztin oder der Pfleger gut deutsch spricht.**
  • Windenergie wird als gesundheitsschädlich gesehen, nicht dagegen die Erderwärmung mit Überschwemmungen, Dürre usw.
  • Die Maßnahmen zum Stopp des Klimawandels sollen gestoppt werden, Kernkraftwerke sollen weiter betrieben werden.

Quelle:

AfD-Programm zur Bundestagswahl 2021, S. 144, 174, 178, 206

**Diese Forderungen/Formulierungen wurden mittlerweile aus dem Programm entfernt.

Hier heißt es jetzt auf S. nur noch:

Medizinisches Fachpersonal muss generell mindestens

über Sprachkenntnisse auf dem Sprachniveau C1 verfügen.

Die fachliche Qualifikation muss uneingeschränkt dem deutschen Standard genügen.“

Normal? Folge 5 – die AfD zu „Recht und Ordnung“

Gern gebärdet sich die AfD als alleinige Hüterin der Ordnung. Die eigene aggressive Rhetorik und rechte Gewalt wird ignoriert. Der Dorn im Auge der anderen wird gesehen, der Balken im eigenen nicht:

 

Deutschland – für uns normal:

Wir treten ein für ein Leben aller Menschen in Deutschland ohne Erfahrung von Diskriminierung und Gewalt.

Die Kriminalstatistik in Deutschland sinkt seit 4 Jahren in Folge. (Quelle: Innenminister-Konferenz Baden-Württemberg 2021, S. 10)

Anders sieht es im Bereich des Verfassungsschutzes 2019 aus, in dem Bundesinnenminister Horst Seehofer klarstellt: „Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus nehmen weiter zu und sind die größte Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland….“

Fakten dazu:

  • Seit der Wiedervereinigung hat rechtsextreme Gewalt in Deutschland laut Amadeo-Antonio-Stiftung 213 Todesopfer gefordert.
  • Erinnert sei nur an die Ermordung des Regierungspräsidenten Walter Lübcke in Kassel durch einen bekannten Rechtsextremen im Juni 2019., die rassistisch motivierten Anschläge in Halle im Oktober 2019 und den Anschlag in Hanau im Februar 2020 mit neun Todesopfern.
  • 68% aller vom Verfassungsschutz aufgeführten Fälle sind als politisch motivierte Kriminalität – rechts eingestuft, 20,5% als politisch motivierte Kriminalität links,  als religiös motivierte und 4,3 % als ausländische Ideologie eingestuft.

ABER: Die AFD verschweigt systematisch rechtsextreme Straftaten.

Sie konstruiert die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit aus Antifa, Islamisten, Ausländischen Banden und vorwiegend ausländischen Jugendbanden.

Die Gewaltexzesse der linksextremen „Antifa” und migrantischer Jugendbanden in den Straßen unserer Städte machen deutlich, wie sehr die innere Sicherheit Schaden genommen hat. Zunehmende Straßengewalt, Terror und Kriminalität sind jedoch keine Naturereignisse, die man kritiklos hinnehmen muss. Sie sind menschengemacht und haben Ursachen, die man bekämpfen kann. Genau das wollen wir tun.“

(Programm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag, S.76)

 

Normal ? Folge 4 Die AfD und die Gleichberechtigung

Auf den ersten Blick geht es der AfD darum, auf gesetzliche Regelungen zu verzichten, welche die Gleichberechtigung der Geschlechter fördern. Aber in Wirklichkeit geht es darum, das traditionelle Familienbild zu fördern und Frauen zurück an den Herd zu locken:

Deutschland – für uns normal – Gleichberechtigung verwirklichen

In Artikel 3 des Grundgesetzes heißt es (2) ,,Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes … benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Noch sind wir in Deutschland von der Umsetzung des Verfassungsanspruchs in vielen Bereichen entfernt. Wir treten für eine aktive Umsetzung des Verfassungsanspruchs in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik ein und unterstützen staatliche Maßnahmen hierzu.

Und was ist für die AFD normal? – Abschaffung der Gesetze zur Verwirklichung der Gleichberechtigung

Manche Juristen vertreten die falsche These, Artikel 3 GG erlaube es dem Staat, einzelne Menschen ,,stellvertretend“ für ihr jeweiliges Geschlecht zu bevorzugen oder zu benachteiligen, um die als Kollektive vorgestellten Geschlechter ,,gleichzustellen“. Jedoch kann es in einem freiheitlichen Rechtsstaat niemals legitimes Ziel staatlichen Handelns sein, … eine willkürlich festgesetzte ,,Geschlechterquote“ zu erzwingen. Genauso wenig kann eine gesetzlich vorgeschriebene Ungleichbehandlung ein Mittel zur Verwirklichung von Gleichberechtigung sein.“

Die AfD wird sich im Deutschen Bundestag für ihre Aufhebung einsetzen. Die Alternative für Deutschland tritt für die Bewahrung bzw. Wiederherstellung der bürgerlichen Selbstbestimmung im Zivilrechtsverkehr ein. Deshalb lehnen wir sog. ,Antidiskriminierungsgesetze‘ ab“.

(Programm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag, S. 22)

Gib der Jugend Deine Stimme

Die Omas gegen Rechts Deutschland Bündnis haben eine gemeinsame Aktion beschlossen. Wir tragen die Verantwortung für die Lebensumstände unserer Kinder und Enkel. Wir möchten dieser Verantwortung gerecht werden. Mit „Gib der Jugend Deine Stimme“ möchten wir Großeltern auffordern mit ihren Enkeln zu reden, gemeinsam Wahlprogramme zu lesen, und im Sinne ihrer Enkel bei der nächsten Bundestagswahl abzustimmen. Der Aufruf darf gerne verbreitet werden.

Und natürlich dürfen auch alle, die keine Enkelkinder haben, mit den jungen in ihrem Umfeld Menschen reden.

Trauer um Esther Bejarano

In den frühen Morgenstunden des 10. Juli 2021 ist Esther Bejarano im Alter von 96 Jahren friedlich gestorben. Musikerin, Ehren OMA gegen Rechts, unermüdliche Kämpferin gegen den Faschismus. Wir teilen hier den Nachruf des VVN-BDA, dessen Ehrenvorsitzende sie war:

Heute Nacht ist unsere Ehrenpräsidentin Esther Bejarano ruhig und friedlich eingeschlafen.

Wir alle kannten Sie als eine Frau von großer Entschiedenheit und geradezu unglaublichem Elan, die viele von uns noch bis vor kurzem auf der großen Bühne erleben durften. Zuletzt saß sie am 8. Mai auf unserer kleinen Bühne im Hamburger Gängeviertel und erzählte von ihrer Befreiung am 3. Mai 1945 durch Soldaten der Roten Armee und der US-Armee, die kurz nacheinander in der kleinen Stadt Lübsz eintrafen. Dort hatte Esther mit einigen Freundinnen aus dem KZ Ravensbrück Unterschlupf gefunden, nachdem sie gemeinsam dem Todesmarsch entflohen waren.

Wenige Tage zuvor, am 3. Mai, den sie ihren zweiten Geburtstag nannte, hat Esther sich noch mit einer Video-Botschaft zum Tag der Befreiung an uns alle gewendet. Darin bezog sie noch einmal deutlich Stellung zu aktuellen Auseinandersetzungen in der Stadt Hamburg und im ganzen Land. Obwohl sie dabei schon im Rollstuhl saß, waren ihre Worte klar und ihre Stimme kräftig:

https://www.auschwitz-komitee.de/5249/esther-bejarano-wir-sind-da-meine-befreiung-im-mai-1945-und-meine-hoffnungen/

Wir verdanken Esther viel; sie war immer da, wenn wir sie brauchten.

Als 1990 zum ersten Mal ein Bundessprecher:innenkreis gewählt werden sollte und dafür Personen gesucht wurden, die Tradition und „Neuanfang“ verkörperten, stand sie dafür zur Verfügung und wurde eine unserer ersten Bundessprecherinnen in einer Zeit, in der wir der Diffamierung des Antifaschismus als „diskreditiert“ und „überkommen“ entgegentreten mussten. Sie hat einen großen Anteil daran, dass das gelungen ist.

Zum 50. Geburtstag der VVN richtete sie zusammen mit Peter Gingold einen bewegenden „Appell an die Jugend“:

https://perlavitamovie.files.wordpress.com/2013/08/appell-an-die-jugend-vers-2005-esther-bejarano-und-peter-gingold-doc.pdf

Als im November 2019 das Finanzamt für Körperschaften in Berlin unsere Gemeinnützigkeit bestritt, schritt sie mit ihrem flammenden Appell an Olaf Scholz „Das Haus brennt und Sie sperren die Feuerwehr aus“ ein und verbreiterte die öffentliche Debatte. Damit hat sie wesentlich zu unserem Erfolg in dieser Auseinandersetzung beigetragen.

Nun ist die unermüdliche „Zeitzeugin“ gegen Vergessen des historischen und Verharmlosen des aktuellen Faschismus, Mahnerin und Kämpferin für Menschenrechte, Frieden und eine solidarische Gesellschaft von uns gegangen. Sie wird uns fehlen, vielen von uns auch als verlässliche Freundin.

Wir denken ans sie in Dankbarkeit, Trauer und Liebe.

Nehmen wir ihre letzte öffentliche Botschaft als Vermächtnis und arbeiten wir weiter daran, dass der 8. Mai endlich auch in Deutschland ein Feiertag wird, so wie sie es in ihrer Rede am 3. Mai noch einmal vorgetragen hat:

„Ich fordere: Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschla­gung des NS-Regimes. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.“

Bücherverbrennungen Mai 1933 – 8

Anna Seghers
Die Toten bleiben jung

Den großen Epochenroman „Die Toten bleiben jung“ brachte Anna Segers aus dem mexikanischen Exil mit. Nach dem „Siebten Kreuz“ entstanden, ist es der in unserer Literatur einzig dastehende Versuch, das Deutschland der Weimarer Reublik und des Dritten Reiches, die verhängnisvolle Geschichte von Kriegsende 1918 bis Kriegsende 1945, in einem Roman darzustellen.

Klappentext der Luchterhand-Ausgabe

Wer irgend etwas wissen will, von seiner, von unserer Geschichte, bei der Seghers kann er es finden, deutlicher als in den Lehrbüchern, näher, beklemmender.

WDR

bitte klicken:

Ausschnitt aus „Die Toten bleiben jung“ Band 1

Ausschnitt aus Band 2

 

 

Bücherverbrennungen 1933 (7)

Diese Texte stammen aus einer Textcollage für die Gedenkveranstaltung zum 60. Jahrtestag der Bücherverbrennung in Offenbach, zusammengestellt von der Offenbacher VVN-BdA. Gesendet hat sie uns G.G.

Aus der Rede Goebbels am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz

„Ihr jungen Studenten seid Träger, Vorkämpfer und Verfechter der jungen revolutionären Idee dieses Staates gewesen, und so wie Ihr in der Vergangenheit das Recht hattet, den falschen Staat, den Unstaat zu berennen und niederzuwerfen, so wie Ihr das Recht hattet, den falschen Autoritäten dieses Unstaates Euren Respekt und Eure Achtung zu versagen, so habt Ihr jetzt die Pflicht, in den Staat hineinzugehen, den Staat zu tragen und den Autoritäten dieses Staates neue Würde und neue Geltung zu verleihen. Ein Revolutionär muß alles können. Er muß ebenso groß sein im Niederreißen der Unwerte, wie im Aufbauen der Werte. Wenn Ihr Studenten Euch das Recht nehmt, den geistigen Unflat in die Flammen hineinzuwerfen, dann müßt Ihr auch die Pflicht auf Euch nehmen, an der Stelle dieses Unrates einem wirklich deutschen Geist die Gasse freizumachen.“

Elisabeth Castonier,
Augenzeugenbericht vom Berliner Opernplatz 10. Mai 1933

„Gegen Mitternacht hielt der Ober-Derwisch Goebbels mit überschnappender Stimme eine Ansprache, die neue Beifallsstürme provozierte. Dann kamen die Werke der Nicht-Prominenten an die Reihe, wurden ballenweise in die Flammen geworfen, und immer wieder riefen Stimmen: „Wir brauchen mehr, sonst geht uns das Feuer aus!“

Es kamen mehr, in Ballen, in Blättern. Eine ältere Frau zwängte sich an uns vorüber. Sie trug einige Bücher im Einkaufsnetz, um ihrerseits zur Reinigung des deutschen Schrifttums beizutragen, kämpfte sich mit lautem Heil Hitler bis zu den Studenten durch, die eine Kette von den Lastwagen zum Ascheiterhaufen bildeten. Was brachte sie wohl mit? Bücher von Marlitt, der Heimburg, vielleicht aus Versehen ein Buch von PG Blunck oder PG Ewers? Der SA-Mann neben uns bemerkte: „Das nenne ich eine deutsche Frau.“ “

https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_Castonier

Erich Kästner, Große Zeiten , 1934

Die Zeit ist viel zu groß, so groß ist sie.
Sie wächst zu rasch. Es wird ihr schlecht bekommen.
Man nimmt ihr täglich Maß und denkt beklommen:
So groß wie heute war die Zeit noch nie.

Sie wuchs. Sie wächst. Schon geht sie aus den Fugen.
Was tut der Mensch dagegen? Er ist gut.
Rings in den Wasserköpfen steigt die Flut.
Und Ebbe wird es im Gehirn der Klugen.

Der Optimistfink schlägt im Blätterwald.
Die guten Leute, die ihm Futter gaben,
sind glücklich, daß sie einen Vogel haben.
Der Zukunft werden sacht die Füße kalt.

Wer warnen will, den straft man mit Verachtung.
Die Dummheit wurde zur Epidemie.
So groß wie heute war die Zeit noch nie.
Ein Volk versinkt in geistiger Umnachtung.

https://de.wikipedia.org/wiki/Erich_K%C3%A4stner#/media/Datei:Erich_K%C3%A4stner_1961.jpg

Oskar Maria Graf – Verbrennt mich

Wie fast alle links gerichteten, entschieden sozialistischen Geistigen in Deutschland, habe auch ich etliche Segnungen des neuen Regimes zu spüren bekommen:

Während meiner zufälligen Abwesenheit aus München erschien die Polizei in meiner dortigen Wohnung, um mich zu verhaften. Sie beschlagnahmte einen großen Teil unwiederbringlicher Manuskripte, mühsam zusammengetragenes Quellenstudien-Material, meine sämtlichen Geschäftspapiere und einen großen Teil meiner Bücher. Das alles harrt nun der wahrscheinlichen Verbrennung. Ich habe also mein Heim, meine Arbeit und – was am Schlimmsten ist – die heimatliche Erde verlassen müssen, um dem Konzentrationslager zu entgehen.

Die schönste Überraschung aber ist mir erst jetzt zuteil geworden: Laut „Berliner Börsencourier“ stehe ich auf der „weißen Autorenliste“ des neuen Deutschlands, und alle meine Bücher, mit Ausnahme meines Hauptwerkes „Wir sind Gefangene“, werden empfohlen: Ich bin also dazu berufen, einer der Exponenten des „neuen“ deutschen Geistes zu sein!

Vergebens frage ich mich: Womit habe ich diese Schmach verdient?

Das „Dritte Reich“ hat fast das ganze deutsche Schrifttum von Bedeutung ausgestoßen, hat sich losgesagt von der wirklichen deutschen Dichtung, hat die größte Zahl seiner wesentlichsten Schriftsteller ins Exil gejagt und das Erscheinen ihrer Werke in Deutschland unmöglich gemacht.

Die Ahnungslosigkeit einiger wichtigtuerischer Konjunkturschreiber und der hemmungslose Vandalismus der augenblicklich herrschenden Gewalthaber versuchen all das, was von unserer Dichtung und Kunst Weltgeltung hat, auszurotten und den Begriff „deutsch“ durch engstirnigsten Nationalismus zu ersetzen. Ein Nationalismus, auf dessen Eingebung selbst die geringste freiheitliche Regung unterdrückt wird, ein Nationalismus, auf dessen Befehl alle meine aufrechten sozialistischen Freunde verfolgt, eingekerkert, gefoltert, ermordet oder aus Verzweiflung in den Freitod getrieben werden.

Und die Vertreter dieses barbarischen Nationalismus, der mit Deutschsein nichts, aber auch rein gar nichts zu tun hat, unterstehen sich, mich als einen ihrer „Geistigen“ zu beanspruchen, mich auf ihre so genannte „weiße Liste“ zu setzen, die vor dem Weltgewissen nur eine schwarze Liste sein kann!

Diese Unehre habe ich nicht verdient!

Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen. Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er selber wird unauslöschlich sein wie eure Schmach!

Alle anständigen Zeitungen werden um Abdruck dieses Protestes ersucht.

Oskar Maria Graf

aus: Ernst Loewy: Exil; Fischer

https://de.wikipedia.org/wiki/Oskar_Maria_Graf

Theodor Kramer, Man hat mir nichts getan, 1938

Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan.
Ich darf schon lang in keiner Zeitung schreiben,
die Mutter darf noch in der Wohnung bleiben.
Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan.

Der Greisler schneidet mir den Schinken an
und dankt mir, wenn ich ihn bezahle, kindlich;
wovon ich leben werd, ist unerfindlich.
Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan.

Ich fahr wie früher mit der Straßenbahn
und gehe unbehelligt durch die Gassen;
ich weiß bloß nicht, ob sie mich gehen lassen.
Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan.

Es öffnet sich mir in kein Land die Bahn,
ich kann mich nicht von selbst von hinnen heben:
ich habe einfach keinen Raum zum Leben.
Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan.

https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Kramer_(Lyriker)

Erich Mühsam, Angst, 1934

Angst packt mich an,
Denn ich ahne, es nahen Tage
Voll großer Klage.
Komm du, komm her zu mir!
Wenn die Blätter im Herbst ersterben,
Und sich die Flüsse trüber färben,
Und sich die Wolken ineinanderschieben –
Dann komm, du komm!
Schütze mich –
Stütze mich –
Faß meine Hand an.
Hilf mir lieben.

https://de.wikipedia.org/wiki/Erich_M%C3%BChsam

Offenbacher Nachrichten vom 24. Mai 1933

„Die Stimmung der Zuhörer, die durch die musikalischen Darbietungen immer höhere Stufen erklommen hatten, erreichte bei diesem symbolischen Vorgang ihren Höhepunkt. Jede Sendung, die in die Flammen geschickt wurde, wurde mit großen Begeisterungsrufen begleitet. Als der Geist der Zersetzung in diesen Formen den Flammen übergeben war, sang die Menge begeistert das Horst-Wessel-Lied. Als gar auf der oberen Galerie auf einer Leinwand ein lebensgroßes Bild des Führers erschien, fand die Begeisterung keine Grenzen. Die Veranstaltung ist in jeder Hinsicht als durchaus glücklich und erfolgreich anzuerkennen.“