Spannend wie ein Krimi

Der Film „Die Unbeugsamen“ hat Euch gefallen? Das Buch zum Film – zum Nachlesen und für weitere Aha-Erlebnisse -“ In der Männer-Republik“ von Torsten Körner, Journalist und Dokumentarfilmer bietet noch mehr Einblicke und liest sich wie ein Krimi.

Erhältlich ist es im Shop der Bundeszentrale für politische Bildung https://www.bpb.de/ , wo Ihr auch viele andere interessante und informative Schriften zu gesellschaftlichen und politischen Themen findet.

Mit Fanta4 auf Sylt – ein Interview mit OMA GEGEN RECHTS Irmi

Eigentlich wollten die Fantastischen Vier schon 2020 ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum feiern, aber wie wir alle wissen, kam Corona dazwischen. In diesem Jahr haben die 4 Jungs alles nachgeholt und sind auf Sommertournee gegangen. Immer mit dabei: Die Initiative Laut gegen Nazis und die OMAS GEGEN RECHTS. München, Stuttgart, Berlin… überall wo die Fantastischen Vier waren Omas aus der jeweiligen Regionalgruppe mit einem Infotisch, Bannern, Buttons und T-Shirts dabei. Beim Freiluftkonzert auf Sylt haben Irmi und Heidi von den Kieler OMAS GEGEN RECHTS die schleswig-holsteinischen Regionalgruppen vertreten. Wir haben Irmi nach ihren Eindrücken befragt:

OgR Kiel: Wie bist Du denn auf den Gedanken gekommen, den Infotisch der Omas auf dem Sylter Konzert zu betreuen?

Irmi: Als die Anfrage vom Deutschlandbündnis kam, fand sich zunächst keine OMA, die „mal eben“ von Kiel nach Sylt für einen Tag reisen konnte. Im Telefonat mit meiner guten Freundin Heidi, die auch immer mal bei unseren Aktivitäten dabei ist, habe ich dies sehr bedauert. Und irgendwie kam dann spontan die Idee auf, doch gleich eine nette Wochenendaktion daraus zu machen. Wie durch ein Wunder fanden wir auch die letzte bezahlbare Ferienwohnung in Westerland, die perfekt zwischen Bahnhof und Flughafen (wo das Konzert stattfand) lag und richtig schön war. Es wäre also wirklich schade gewesen, wenn wir Omas diese Chance nicht genutzt hätten.

OgR Kiel: Wie war die Anreise mit der Bahn?

Irmi: Erstaunlich gut! Ich hatte große Bedenken wegen des 9-Euro-Tickets und übervoller Waggons, aber die Anschlüsse klappten wunderbar, wir hatten immer gute Sitzplätze und konnten auch unsere Schilder, Banner etc. gut verstauen.

OgR Kiel: Wurdet Ihr gut betreut?

Irmi: Im Vorfeld fanden einige Telefonate mit Oma Maja aus Hamburg statt, und direkt vorab hatten wir Kontakt zum Organisator von LAUT GEGEN NAZIS. Es hieß, wir wären auf jeden Fall unter einem Zelt vor Sonne, Regen und Wind geschützt – Fehlanzeige. Zum Glück war das Wetter ideal, nicht zu heiß, leicht bedeckt und für Sylter Verhältnisse erstaunlicherweise kaum Wind!

Weiterhin hatte es zunächst geheißen, alle Materialien würden vor Ort auf uns warten und wir müssten nichts mitnehmen. Dem war leider auch nicht so. Und Oma-Shirts gab es gar keine mehr, dabei war die Nachfrage tatsächlich groß!

OgR Kiel: Die Fanta4 sind ja nicht mehr so ganz jung – wie setzte sich denn das Publikum zusammen?

Irmi: Sehr angenehm, sehr bunt gemischt. Von Familien mit kleinen Kindern, die auf Sylt Urlaub machten, bis zu eingefleischten Fans in jedem Alter war wirklich alles vertreten.

OgR Kiel: Wie haben denn die Leute auf Euch und den Infotisch reagiert?

Irmi: Ausschließlich positiv! Wir haben uns sehr wohl gefühlt und kamen mit vielen Leuten ins Gespräch. Erstaunlich war eher, dass es tatsächlich noch Orte gibt, in denen die OMAS noch nicht bekannt sind!?

OgR Kiel: Gab es auch Kritik?

Irmi: Nicht an uns. Einige Leute waren etwas unglücklich mit den Nieten, die sie bei den Losen von LAUT GEGEN NAZIS gezogen hatten ...

OgR Kiel: Wenn Ihr angesprochen wurdet, gab es da bestimmte Themen?

Irmi: Eher echtes, allgemeines Interesse an uns und unserer Arbeit. Auffallend waren wie so oft die jungen Leute, die uns mit einem Strahlen und beiden Daumen hoch begrüßten.

OgR Kiel: Gab es besonders nette Erlebnisse? 

Irmi: Ja. Ein ganz besonderer Moment war für uns, als Smudo zwischen zwei Songs auf unseren gemeinsamen Stand hinwies, die Fantas als OPAS GEGEN RECHTS bezeichnete und dann die Menge aufforderte, uns das Becherpfand zu spenden. Applaus von 6000 Menschen – Gänsehaut!

OgR Kiel: Was hat Heidi und Dich im Nachhinein besonders gefreut?

Irmi: Mich persönlich hat es ganz besonders gefreut, dass Heidi sich so wohl gefühlt hat und es ihr auch so viel Spaß machte, mit den Leuten zu reden. Ich selber bin es von beruflichen Messen her durchaus gewohnt. Aber die Leute kamen hier sehr gerne auf uns zu und haben sehr großzügig gespendet.

OgR Kiel: Würdest Du so einen Infotisch bei einem Konzert wieder machen?

Irmi: Sofort – jederzeit – immer wieder!!!

OgR Kiel: Haben die Fanta4 jetzt zwei neue Fans?

Irmi: In der Tat! Und zwar seit dem allerersten Takt!

Basiswissen für Antifaschist*innen

Aufgrund der sich weiter zuspitzenden Situation – was einerseits die sich vergrößernde Armut angeht, andererseits faschistische Kräfte, die in den Startlöchern stehen, um dieses Thema für sich zu nutzen – möchte ich euch eine besondere Reihe kleiner Bücher vorstellen, die ein Grundwissen für politisch Interessierte vermittelt. Erschienen ist die Reihe im PapyRossa-Verlag, für jeweils 9,90€.

Als erstes zu nennen wäre da

Antifaschismus,
Ulrich Schneider

Das Buch zeichnet die Geschichte des Antifaschismus-Begriffs und der damit verbundenen organisierten Bewegung vor allem in Deutschland nach. „Antifaschismus“ wird sowohl als analytische Kategorie als auch als Handlungsorientierung aufgefassst. In der Weimarer Zeit war er stark geprägt durch die Parteien der Arbeiterbewegung. Der antifaschistische Widerstand bis hin zur Anti-Hitler-Koalition repräsentierte bereits ein breiteres Spektrum. Heute gibt es unterschiedliche Zugänge zum Antifaschismus. Einerseits verbindet er sich auf der Grundlage marxistischer Gesellschaftsanalyse mit Antikapitalismus. Andererseits umfasst die organisierte antifsaschistische Bewegung auch Menschen und Strömungen, die die Auffassung nicht teilen. Gemeinsam ist jedoch allen der praktische Einsatz gegen alle Formen von sozialer Ausgrenzung, von Rassismus und Ungleichbehandlung, gegen zwischenstaatliche Aggression, für demokratische und soziale Rechte.

Zum Autor:
Ulrich Schneider, Dr. phil., Jg. 1954, Historiker, Generalsekretär der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) sowie Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). Autor zahlreicher Bücher.

Armut,
Christoph Butterwegge

„Armut“ ist ein brisanter, weil politisch-normativer, emotional besetzter und moralisch aufgeladener Begriff. Christoph Butterwegge diskutiert den Armutsbegriff, wirft einen Blick auf die Geschichte der Armut und vermittelt die theoretischen Grundlagen. Er stellt Hauptrichtungen der Armutsforschung vor, erläutert die gängigen Methoden der Armutsmessung und hinterfragt die statistische Datenlage, wie sie die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung dokumentieren. Neben den unterschiedlichen Erscheinungsformen und den Folgen der Armut für die Betroffenen wie die Gesellschft beschäftigen ihn die Entstehungsursachen und die wenig überzeugenden Erklärungsanstätze der (Medien-)Öffentlichkeit. Abschließend geht es um den Kampf gegen die Armut sowie die Frage, welche Maßnahmen hierbei Erfolg versprechen und ob das bedingungslose Grundeinkommen ein Patentrezept darstellt.

Zum Autor:
Christoph Butterwegge, Prof. Dr., *1951, war von 1998 bis 2016 Hochschullehrer für Politikweissenschaft an der Universität zu Köln.

Faschismus,
Gudio Speckmann
Gerd Wiegel

Wie klärungsbedürftig das Thema „Faschismus“ ist, zeigt sich schon am Begriff. Ist er international unbestritten, so wird er bei uns gerne ersetzt durch „Nationalsozialismus“, die demagogische Selbstbezeichnung der deutschen Faschisten. Dieser Band entfaltet Begriff und Geschichte des Faschismus in drei Schritten: Im ersten werden die wichstigsten Analysen vorgestellt, um zu belegen, wie eine moderne, aktuelle Erkenntnisse berücksichtigende Faschismustheorie aussehen müsste. Sodann werden sie anhand der faschistischen Regime in Italien und Deutschland überprüft. Die faschistischen Bewegungen auf dem Weg zur Macht sowie die Herrschaftspraxis des zur Macht gelangten Faschismus nach innen und außen bilden hier die Schwerpunkte. Schließlich wird im dritten Teil die Frage nach faschistischen Potentialen in der Gegenwart aufgeworfen.

Zu den Autoren:
Guido Speckmann, *1978, studierte Politikwissenschaft, Neuere Geschichte sowie Friedens- und Konfliktforschung in Marburg, arbeitet als Verlagslektor und Autor in Hamburg.
Gerd Wiegel, Dr. phil., *1966, Politikwissenschaftler Referent der Bundestagsfraktion DIE LINKE für die Themen Rechtsextremismus/Antifaschismus, zahlreiche Veröffentlichungen zu geschichtspolitischen Auseinandersetzungen mit der NA-Vergangenheit und zur extremen Rechten in Deutschland und Europa.

Diese Reihe umfasst noch viele weitere interessante Büchlein, die eine Grundlage für viele interessante Diskussionen bieten können.

77 Jahre seit Hiroshima und Nagasaki

Wie auch in den Vorjahren waren einige von uns OMAS GEGEN RECHTS vor Ort, um unsere Solidarität mit der Friedensbewegung zu zeigen – und natürlich um viele Lotosblüten auf den Kleinen Kiel zu setzen.

Die Initiative „Friedensritt“ war mit ihren Pferden und einer kleinen Aufführung vor Ort,

und es gab interessante Redebeiträge.

Frau Dr. Mechthild Vogel-Klingenberg, die sich seit vielen Jahren beim Kieler Friedensforum engagiert, trug zu Beginn ihres Redebeitrags ein Gedicht von Marie-Luise Kaschnitz vor:

Hiroshima

Der den Tod auf Hiroshima warf

Ging ins Kloster, läutete dort die Glocken.

Der den Tod auf Hiroshima warf

Sprang vom Stuhl in die Schlinge, erwürgte sich.

Der den Tod auf Hiroshima warf

Fiel in Wahnsinn, wehrte Gespenster ab.

Hunderttausend, die ihn angehen nächtlich

Auferstanden aus Staub für ihn.

Nichts von alledem ist wahr.

Erst vor kurzem sah ich ihn

Im Garten seines Hauses vor der Stadt.

Die Hecken waren noch jung und die Rosenbüsche zierlich.

Das wächst nicht so schnell, dass sich einer verbergen könnte

Im Wald des Vergessens. Gut zu sehen war

Das nackte Vorstadthaus, die junge Frau

Die neben ihm stand im Blumenkleid

Das kleine Mädchen an ihrer Hand

Der Knabe der auf seinem Rücken saß

Und über seinem Kopf die Peitsche schwang.

Sehr gut erkennbar war er selbst

Vierbeinig auf dem Grasplatz, das Gesicht

Verzerrt vor Lachen, weil der Photograph

Hinter der Hecke stand, das Auge der Welt.

Einen weiteren interessanten Redebeitrag gab es von Professor Norman Paech (Jurist und emeritierter deutscher Professor für Politikwissenschaft und für Öffentliches Recht an der Universität Hamburg. Er ist seit 2005 Politiker der Partei Die Linke; Wikipedia) Die Rede verdeutlicht die Rolle der NATO und der USA bei der gegenwärtigen Konfliktlage und die Notwendigkeit, diese Rolle unter Kontrolle zu halten, um den Konflikt nicht in eine unkontrollierbare Eskalation zu treiben. Die Rede findet Ihr hier:

https://www.friedenskooperative.de/hiroshimatag2022/reden/norman-paech-kiel

Scheinargumente und der Umgang damit

Kennt Ihr das auch? Wir geraten an einem Infostand oder auf einer Familienfeier in eine Diskussion. Die Person, die Euch in die Diskussion verwickelt hat, erzählt definitiv dummes Zeug, trotzdem wissen wir nicht, was wir erwidern sollen. Das Gleichnis mit der Taube auf dem Schachbrett fällt uns ein – sie schmeißt alle Figuren um und geht als Siegerin. Hier findet Ihr ein paar gute Tipps, um miese Diskussionstechniken zu entlarven und auf sie zu reagieren:

https://www.quarks.de/gesellschaft/scheinargumente-hier-solltest-du-in-diskussionen-aufpassen/

 

Omas in der Festung Friedrichsort

Die Kieler Omas waren unterwegs!
Das Junitreffen der Omas fand dieses Mal nicht im Gewerkschaftshaus statt. Am 15. Juni trafen wir uns nachmittags an der Festung Friedrichsort, wo Oma Marlis vom „Verein der Freunde der Festung Friedrichsort e.V.“ uns begrüßte. Circa 15 Omas und ein Opa waren mit dem Auto, dem Fahrrad oder mit der Fähre gekommen. Die meisten von uns waren noch nie in der Festung, deren Geschichte uns Marlis in den folgenden 1 ½ Stunden uns näher brachte.
Die Festung Friedrichsort ist eine ehemalige dänische Festung, die sich an der engsten Stelle der Kieler Förde befindet und als einzige Seefestung in Deutschland unter Denkmalschutz steht. Wir waren in den zwei Räumen des Vereins in der Festung und konnten viele Bilder, Modelle der Festung aus der wechselvollen Geschichte betrachten. Marlis erzählte uns einiges Interessantes aus der Geschichte besonders unter dem Blickwinkel von Frauen. Interessant waren auch die Fotos aus den Jahren nach dem 2. Weltkrieg, in denen Flüchtlinge dort untergebracht wurden.
Bei einem Rundgang durch die Kasematten waren wir erstaunt zu sehen, dass sie heute von kleinen Betrieben, Start Ups aus der Kreativwirtschaft und Medienbrache, oder als Proberaum für Bands genutzt wird. Auch eine Kieler Destillerie ist dort ansässig.
Beim abschließenden Gang auf dem Wall konnten wir eine Ecke der ehemals fünf Bastionen noch gut erkennen. Wir waren beeindruckt, was der Verein seit seinem Bestehen 2004 alles für den Erhalt der Festung und an Öffentlichkeitsarbeit unternimmt.
Zum Ausklang saßen wir dann gemütlich bei Sonnenschein und mit Blick auf die Förde in der Deichperle zusammen.
Ein herzlicher Dank an Oma Marlis für diesen gelungenen Nachmittag und an Oma Gudrun für die Organisation!!!

Text und die meisten Fotos: Oma Gisela

Schuld

Die beiden heutigen Texte aus der Tonspur befassen sich beide mit der Frage der Schuld – zum einen die Mahnung, dass es nicht „die Russen“ sind, die Krieg führen; zum anderen die Frage, wie es möglich ist, mit Schuld umzugehen, welche die eigene Familie auf sich geladen ha:

Uta aus Hannover:

Mein Vater wurde als Jugendlicher in den Krieg geschickt und schwer verletzt. Er floh aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft in Sibirien. Russische Bäuerinnen haben sein Leben gerettet. Ohne ihre Hilfe wäre er gestorben.Er war ihnen sein ganzes Leben dankbar und brachte uns bei, dass nicht alle Feinde Feinde sind, dass man differenziert hinschauen muss und Völkerverständigung die Basis für Frieden ist. Er hörte sich oft seine Platten mit russischer Musik an und tanzte dazu.

Als er jung starb, gingen wir noch zur Schule oder studierten. Die Musik höre ich noch immer. Und der Krieg gegen die Ukraine ist eine Völkerrechtsverletzung und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. So sehen das auch meine russischen Nachbarn.

Claudia aus München:

Das Ende des 2. Weltkriegs vor 77 Jahren lässt mich vor allem an die russischen Kinder und Teenager denken, deren Väter aufgestachelt wurden, die Massaker in der Ukraine zu begehen. Wie sollen sie später einmal ihren Vätern in die Augen sehen, wenn sie eine eigene Einstellung zu Macht, Gewalt und Unrecht haben?

Mich verfolgte mindestens 50 Jahre lang ein Schnappschuss, der meinen Vater im August 1940 in einem Lazarett zeigt, wie er im Schlafanzug mit einem Gefreiten Mayr Mühle spielt.

Ich bin inzwischen 71 Jahre alt und Großmutter von acht Enkelkindern. Mein Vater, ein sehr charmanter, erfolgreicher und lebenslustiger Mann starb, als ich ein Jahr alt war. Meine Mutter konnte mir nichts über sein Leben im Krieg erzählen. Mit zwanzig ging ich nach Israel, um in einem Kibbuz zu arbeiten, weil ich es für möglich hielt, dass er am Holocaust beteiligt war. Die Familie meiner Mutter war vermögend geworden, weil sie im Krieg Autobahnen und Flugplätze baute…

Vor kurzem fand ich in einer seiner Veröffentlichungen einen Lebenslauf.

Wehrdienst: 1. April 1936 bis 1. Oktober 1936 Reichsarbeitsdienst. 1. April 1940 bis 6. November 1941 Nachrichtenersatzabteilung 5.

Davor und danach Assistent im Flusslaboratorium der Technischen Hochschule Karlsruhe, wo er sich später auch habilitierte.

Mir rollte ein schwerer Stein vom Herzen! Mein Vater hatte offenbar weder an Deportationen noch an Hinrichtungen teilgenommen. Er war verschont geblieben.

Was wenn nicht? Ich glaube nicht, dass Unrecht aus der Welt ist, nur weil die Akteure sterben. Wie wird es den russischen Kindern später gehen?

 

Texte zum Krieg

Am 8.Mai hat das Deutschland-Bündnis der OMAS GEGEN RECHTS ein Video auf der Plattform YouTube veröffentlicht. Einige dieser Texte möchten wir in den nächsten Tagen hier veröffentlichen. Wir fangen an mit:

OMA Gertraud aus Gießen

Ich denke an die Kinder – ich denke an meine Angst, die ich hatte, als ich Kind war.

Fliegeralarm

Die Sirenen heulen, mehrmals hintereinander. Eile ist angesagt. Schnell greifen wir nach den aus Trainingsjacken genähten Rucksäckchen und hasten an den Händen meiner Mutter – rechts mein Bruder, ich links – wie andere Menschen zu dem vermeintlich sicheren Ort: dem Luftschutzbunker. Mutti ist schwanger, wir kuscheln uns eng aneinander, an ihren Babybauch, halten uns krampfhaft fest und warten. Mutti meint: „Wir bleiben immer eng zusammen, denn wenn was passiert, dann sterben wir alle zusammen, schlimm wäre es, wenn nur einer übrig bleibt.“ So harren wir über Stunden aus, bis Entwarnung kommt. Wir verlassen den dunklen, stickigen Raum mit der bangen Frage: „Steht unser Haus noch?“

Heute habe ich wieder Angst vor dem Krieg. Ich verstehe auch nicht, warum Menschen und Völker untereinander nicht in Frieden leben können. Doch was ich verstehe, dass es für die Aggressoren einfach ist einen Krieg zu entfachen, denn nicht sie sterben, sondern wir, du und ich und die Soldaten und all die Unschuldigen, die werden geopfert!!!!!

 

Marion F. aus Kiel:

Hören Sie es manchmal auch? In Ihren Träumen? Wenn Sie allein sind, und alles ist still? Ich höre es manchmal, und das seit langer Zeit. Meine Großmutter hat mir davon erzählt. Ich muss 9 oder 10 Jahre alt gewesen sein; der letzte große Krieg in Europa war gerade 19 Jahre vorbei, und es gab noch Trümmergrundstücke mit Birken, die aus den Mauerresten wuchsen, und Schuttberge, auf denen wir Kinder spielten.

Meine Großmutter erzählte, wie die Frauen in ihrer Straße in der kleinen Industriestadt im Westen Deutschlands ängstlich aus den Fenstern schauten, wenn ein Auto der Feldjäger in die Straße mit den großen Mietshäusern bog. Ihre Angst war die gleiche und dennoch anders, denn sie hatte nur zwei Töchter. Es war schwer, die durch den Krieg zu bringen. Wenn es mal Kartoffeln gab, behielt sie für sich selbst nur die Schalen, damit die Mädchen etwas zu essen bekamen.

Aber, wenn das Auto der Feldjäger in die Straße kam, wusste sie, dass sie ihn hören würde, denn sie wusste, warum die Soldaten in das große Haus mit den kleinen Wohnungen gingen, an einer Wohnungstür Halt machten und klingelten. Die Tür öffnete sich, ein ängstliches Frauengesicht erschien, die Hände hielten sich krampfhaft an der Schürze fest, und während noch die Worte „Führer“ und „Vaterland“ in der Luft schwebten, war er da: Der alles übertönende, alles durchdringende Schrei einer Mutter, deren Sohn gefallen war, einer Frau, der ihr Mann und Vater ihrer Kinder genommen worden war. Ein Schrei, der durch die Straße schallte und all die Frauen hinter ihren Fenstern daran gemahnte, was ihr Schicksal sein konnte.

Ich lebe schon lange, und es ist kein Jahr, kein Monat, keine Woche vergangen, in der dieser Schrei nicht irgendwo ertönt ist, und, wenn Sie ihn hören, werden Sie es auch merken: Es ist der Schrei einer Frau. Und dieser Schrei klingt immer gleich – Sie werden niemals herausfinden, ob eine Frau in Afrika schreit, oder in Israel, in Südamerika, in Indien, in Kanada oder den USA. Und auch heute werden Sie nicht unterscheiden können, ob eine Russin oder eine Ukrainerin schreit, denn der Schmerz, aus dem dieser Schrei kommt, ist immer der Gleiche: Es ist der Schmerz über ein sinnlos vergeudetes Leben, über das Ende von Hoffnungen und Träumen.

Feinde sind nicht die jungen Männer und Frauen, die geopfert werden. Feinde sind die, die sie zum Kämpfen zwingen, die die Waffen bauen, mit denen sie die anderen töten. Und wir, die wir den Schreien hilflos lauschen, haben einen einzigen Feind zu besiegen: Den Krieg.